Zunächst mein neustes Sockenpaar:
Gr.45
64 M mit Nadeln Nr. 2,75mm
78g schwer
Wolle: "Serengeti" von SchöllerundStahl aus Süßen -
sie wandern in die Winter-Weihnachtsgeschenke-Kiste,
die von November bis Januar immer wieder geöffnet wird -
der künftige Besitzer darf sich damit dann daran erinnern,
dass er seinen letzten Geburtstag zwar nicht in der Serengeti,
aber doch in Afrika gefeiert hat.
Aber eigentlich will ich heute eine ganz andere Geschichte erzählen:
Eine sehr aktive Strickzeit - nicht nur für mich - waren die späten 70er und die 80er Jahre.
Schon in der Schule habe nicht nur ich während des Unterrichts - außer in Mathe - gestrickt.
Auch an der Uni war das nicht anders, mit Modellstricken für ein Edel-Geschäft habe ich mir einige Hundert DM verdient.
Meist wurde das toleriert; der große Professor Jüngel meinte manchmal humorvoll:
"Passen Sie bloß auf, dass Ihnen keine Masche runterfällt!"
Das war nett gemeint, zumindest kam es bei uns so an!
Manche von euch erinnern sich an die Farbflächen/Wollmixpullover - auch da habe ich einmal
während eines Pfarrkonventes zwar nicht den Referenten, den jetzigen EKD-Vorsitzenden Huber, verwirrt. Der ältere Kollege neben mir allerdings war so fasziniert, wie ich mit 6 verschiedenen Knäueln auf dem Tisch hantierte, dass er wohl nicht so viel vom Vortrag mitbekommen hat - ganz im Gegensatz zu mir, die ich ja durchaus auch nebenher noch fleißig und viel mitgeschrieben habe.
Gedruckte Skripte gab es damals schließlich noch nicht.
Aber eigentlich will ich heute an eine Frau erinnern,
die ich während meiner Ausbildung, während des Vikariates, kennengelernt habe.
Vikare stehen nun zwar in der kirchlichen Hierarchie ganz unten,
aber gemessen in Meereshöhe waren mein Chef und ich die höchsten Geistlichen unseres Dekanates- war doch unsere Kirche und unser Amt ganz oben auf dem höchsten Berg!
Gewohnt habe ich allerdings im Tal, tíefste Diaspora.
Die wenigen evangelischen Alten wussten noch davon zu erzählen, wie hart das war, als sie Kinder waren. Denn der Besuch der kath. Dorfschule blieb ihnen verwehrt, bei Wind und Wetter mussten sie den Berg hoch bis ins evangelische Dorf - und wie gesagt - Kirche und Schule waren ganz oben, der Weg steil, unwegsam, z.T. durch dunklen Wald, 1 Stunde der einfache Weg.
Eine dieser Frauen war E. , eine gestandene Bäuerin im Ruhestand, lebenserfahren und lebenserprobt.
Wie es sich gehörte, habe ich die alten Menschen meines Bezirks bei Krankheit, anderer Not oder auch zum Geburtstag besucht. Manchmal einfach auch um mich vorzustellen. So auch E.
Gegen Ende meiner Ausbildungszeit war ich bei ihr zum 90. Geburtstag geladen,
nicht einfach der gewöhnliche Pfarrersbesuch, am besten am Vormittag, nein, hochoffiziell zum Kaffee. Ich werde nie vergessen, wie die alte Dame an diesem schönen Sommertag der Tafel präsidierte:
Gut gekleidet, das lange weiße Haar geflochten und zum typisch schwäbischen Zopf am Hinterkopf gesteckt, braungebrannt von der Sommersonne und viel frischer Luft -
ein Leuchten in den Augen wie ein junges Mädchen.
Im Alltag ging es einfacher zu, da traf frau sie im Sommer hinterm Haus
auf einem schönen Plätzle, im Winter in ihrer Küche,
gekleidet in die schwäbische Alltagsuniform - den Kittelschurz.
Ihre Küche war eine Wohnküche mit Küchensofa.
Auf diesem Küchensofa habe ich oft Platz genommen. Weil sie das Aufstehen ja gewöhnt war,
und alte Leute nicht mehr so viel Schlaf brauchen, stand sie mit ihren Hühner auf. Und deshalb gab es auch schon kurz nach 11 Uhr Mittagessen.
So manchen Pfannkuchen mit Marmelade habe ich mir deshalb zu vormittäglicher Stunde
auf ihrem Küchensofa sitzend schmecken lassen.
Aber in ihre Küche, da gehörte auch der Strickstrumpf.
Nur Regia - so erklärte sie mir, das ließe sie sich immer aus Salach bringen;
schwäbische Qualität eben.
Aber ihre Stricknadeln: die alten Eisernen - weder Alu noch Stahl oder anderes modernes Zeug.
Unvergesslich!
Und so saßen wir, sie strickte, wir schwätzen, über Gott und die Welt... und auch übers Stricken:
Im Januar finge sie an, mit den Weihnachtsgeschenken,
denn so schnell ginge das ja nicht mehr und die Verwandtschaft sei groß...
und irgendwann merkte ich: Sie macht was anders, vorn an der Spitze, ohne diese blöde Naht...
und so schaute ich zu, sie erklärte, einmal brachte ich dann auch meine Strickzeug mit -
und seither stricke ich sie fast immer, ihre Rundspitze!
Und deshalb: Bis heute - bei schwäbischer Strumpfwolle, sei es Regia oder Stahl, erinnere
ich mich dankbar an sie, und bei der Rundspitze allzumal!
Tradition - Weitergabe von Wissen - Erbe und Kultur...
eine großartige Frau!
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13 Kommentare:
Tolle Socken und eine wunderschöne Geschichte. Es ist schön, wenn man solche Erinnerungen hat. Auch ich habe (in Verbindung mit dem Stricken) Erinnerungen, über die ich heute gerne lächle und an die ich gerne zurück denke.
Das kann uns niemand nehmen.
liebe Grüsse
Regina
Schöne Socken, sind es geworden, aber noch besser gefällt mir die Geschichte. Ich fühlte mich beim Lesen gerade sehr zurück versetzt, in meine eigene Kindheit, erinnert an meine Oma, die besagter Frau scheinbar sehr geähnelt hat. Vom Sonntagsstaat, bis zum hochgesteckten Haar, bis zur Kittelschürze, dem Chaiselongue (so hiess das Sofa in der Küche), den eisernen Stricknadeln und ihren ständig arbeitenden Händen.
Schön sind sie, solche Erinnerungen...
Liebe Grüsse, Zwieback
Schöne Socken und eine noch schönere Geschichte. Ich denke beim Socken stricken auch oft an meine Mam die mir das Socken stricken gelernt hat. :-)
LG, coffee
Danke für schöne Geschichte.
Und die Socken sind schön.
Grüss: Maria
Danke für deine schönen Erinnerungen, gerade habe ich wieder angefangen ,
Strümpfe zu stricken, ich habe nur eine alte Anleitung aus einem uralten Handarbeitsbuch
kannst du mir da etwas einfaches zukommen lassen, damit die Strüpfe auch etwas werden...
die Wolle habe ich mir aus Dänemark mitgebracht, sie ist sehr fein und ich stricke leicht lose, deshalb Nadelstärke 2
Frauke
Schöne Socken und die Geschichte dazu - genial. Bei der schwäbischen "Tracht" musste ich schmunzeln. Meine Oma - auch Bäuerin - trug auch immer diese Kittelschürzen. Nur Sonntags zum Kirchgang wurden umgezogen. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern ob sie auch gestrickt.
Lieben Gruß
Anja
Liebe Ingrid,
hab dank für diese Geschichte. Ich hab sie mit Genuss gelesen. Leider hab ich mir das Sockenstricken selbst beibringen müssen, weil meine Oma kurz nachdem sie mir die Anfänge des Strickens gezeigt hat (da war ich ungefähr 7 Jahre alt) ihre Finger kaum noch bewegen konnte... Aber auch ich erinnere mich immer noch sehr gern an sie und kriege schon wieder das Nasse in die Augen, wenn ich an sie denke. Ach Oma... *snief*
Sei ganz lieb gegrüßt
Sunsy
Hallo!
Die Socken und auch deine Geschichte ist einfach wunderbar. Sie war sehr schön zu lesen. Und wo ich das eben gelesen habe kamen mir die Erinnerungen am meine Oma. Sie hat mir das schöne Hobby "stricken" beigebracht.
Danke für die Geschichte, kleine Frage: Kannst du die Spitze mal als Anleitung schreiben? Ich würde sie zu gerne mal stricken.
Ganz Liebe Grüße,
Perleszauberwolle
Beim Lesen Deiner Geschichte habe ich so Schmunzeln müssen, das klingt alles so harmonisch und friedlich. Schön!! Vielen Dank dafür! Na, und die Socken sind auch toll!
Liebe Grüße
Christine
Danke für diese wundervolle Geschichte liebe Ingrid,sie tut richtig gut.
LG Barbara
Das ist eine sehr schöne Geschichte, die Du toll geschrieben hast.
Und dein neuestes Paar Socken gefällt mir auch ausserordentlich gut!
LG Tina
Danke für die schöne Geschichte. Ich höre älteren Menschen auch so gerne zu. Sie haben so viel erlebt, was nicht vergessen werden sollte. So leben sie in unseren Geschichten weiter. Ein schöner Trost.
Liebe Grüße
Kerstin
Danke dür diese schöne Geschichte! Hab auch einen "Rucksack" voll damit,....man sollte sie viel öfter erzählen,denke ich mir!
LG,Ulla
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