(M)ein Blick auf die Reformation:
Die Frauen
verfasst von
Pfarrerin Ingrid Schiller-Grenz
aus Uhingen
veröffentlicht in:
Der Gockel.
Gemeindebrief der Evangelischen
Kirchengemeinde Uhingen.
Nr. 162
Herbst 2017
Hier geringfügig verändert und erweitert.
Es handelt sich dabei um eine knappe Zusammenfassung meiner verschiedenen
Vorträge zum Thema in Gemeinden des Kirchenbezirks Göppingen im Jahre 2017
Alle Rechte vorbehalten.
Eine Veröffentlichung, ob digital oder
analog und auf Papier bedarf meiner ausdrücklichen Zustimmung.
sci.migy@yahoo.de
(M)ein Blick auf die Reformation: Die Frauen
Ohne die Arbeit und Mitwirkung
der Frauen wäre die Reformation nicht möglich gewesen. Frauen haben
mitdiskutiert und mitentschieden, Frauen haben organisiert, gelehrt und
unterwiesen. Nicht zuletzt als Ehefrauen und Mütter haben sie den
"neuen" Glauben
vertreten und verankert. Sie haben eingebracht, was sie hatten. Dazu gehört vor
allem die hervorragende Schulbildung der Klosterschulen. Viele adlige Frauen,
ehemalige Nonnen, stehen am Anfang der Reformation, wo noch so vieles zu klären
und zu entwickeln war.
Vier reformatorische Erkenntnisse haben wesentlich zur Stärkung der Frauen
beigetragen.
1. Der Gedanke des Priestertums
aller Getauften gilt für Mann und Frau. Jeder und jede hat den freien Zugang zu
Gott und braucht keinen Mittler, weder Priester noch die Instituion der Kirche.
Jede/r ist sich selbst
Priester, kann aber auch dem anderen Seelsorger sein.
Daraus erschließt sich die Gleichwertigkeit
aller Menschen vor Gott.
(M)ein Blick fällt auf Elisabeth von Meseritz-Cruciger in Wittenberg und ihre seelsorgerliche und predigende Arbeit.
2. Da aller Glaube aus der
Heiligen Schrift kommt, soll diese auch von allen gelesen werden und gelesen
werden können.
(M)ein Blick fällt auf Luther,
der die Landesherren auffordert, Schulen einzurichten, Schulbildung für alle,
auch für Mädchen.
(M)ein Blick fällt auf Katharina Schütz- Zell in Straßburg, die selber liest, vergleicht,
argumentiert, auch gegen das Wort, dass Frauen schweigen sollen in der
Gemeinde.
3. Aus den Schöpfungstexten der
Bibel leitet sich die grundsätzliche
Gleichstellung von Mann und Frau ab.
und
4. ebenso die Erkenntnis, dass Sexualität keine Sünde ist, sondern
in der Ehe eine der guten Ordnungen Gottes. Sie dient nicht nur der
Fortpflanzung. Auch die körperliche Freude am Partner(in) hat ihr eigenes Recht
und Gewicht. Die Frau ist nicht mehr die böse Verführerin.
Gleichzeitig betont Luther in
seiner Schrift "Vom ehelichen Leben", wie sich Christsein im Alltag bewährt:
Alle menschliche Arbeit, die im Glauben und in der Liebe geschieht, ist ein
göttliches Werk, auch Hausarbeit und Kindererziehung. Dies hat Frauenarbeit und
damit auch Frauen aufgewertet, leider aber bald auch wieder darauf festgelegt.
Allerdings - zum geistlichen
Amt für Frauen haben diese Erkenntnisse nicht geführt.
Mehr noch, das einzige
geistliche Amt, das es vor der Reformation für Frauen gab, das Amt der
Äbtissin, wurde von der Reformation abgeschafft.
Die Ehe wurde zum
"rechten Weg" für die Frauen, oft die Ehe mit einem Pfarrer.
Entstanden ist dadurch die
Institution des evang.
Pfarrhauses.
Pfarrfrau - eine Beruf ohne
eigenen Verdienst und eigene Absicherung. Oft ging es gut; so lange es eben gut
ging. Und dann?
Erst seit 1991 können
Frauen in allen evangelischen Landeskirchen Deutschlands das Pfarramt ausüben. Bei uns in Württemberg ist dies seit exakt 50 Jahren der Fall, seit 1968. Da ging ich schon in die Schule. Eine Frau von geistlicher und theologischer Kompetenz erschloss uns im Religionsunterricht der ersten beiden Klassen die Schätze der biblischen Geschichten und der evangelischen Choräle. Gertrud Harzer, die Frau des Ortspfarrers. Pfarrfrau. Eine großartige Frau in der Tradition der Frauen der Reformation.
(M)ein Blick konzentriert sich
auf zwei der bedeutendsten Theologinnen
der Reformation. Da ist eine noch
recht junge Frau, Eliabeth von Meseritz-Cruciger. Ehefrau, Pfarrfrau,
Mutter,
verheiratet mit einem der
jungen Theologen aus dem Umkreis
Luthers.
Eines Morgens berichtet sie
ihrem Mann: Sie habe geträumt, sie sei auf der Kanzel der Kirche in Wittenberg
gestanden und habe gepredigt.....
Ihr Mann soll lachend
geantwortet haben: "Vielleicht will euch der liebe Gott für würdig
erachten, dass eure Gesänge, mit denen ihr zu Hause immer umgeht, in der Kirche
sollen gesungen werden."
Wer war diese "Träumende"?
Um 1500 geboren, irgendwo ganz
im Osten Pommerns, trat Elisabeth wohl sehr jung in das Prämonstraten-serkloster
Marienbusch bei Treptow ein. Vermutlich besuchte sie dort die Klosterschule,
für adlige Mädchen eine der wenigen Möglichkeiten, eine gute Bildung zu
erlangen: Lesen, Schreiben, Rechnen, Musik, aber oft auch Heilkunde; Ubung im
geistlichen Leben, Kenntnis vieler theologischer Schriften. Viele Nonnen
schlossen sich der Reformation an und brachten ihre hervorragende Bildung und
Kenntnis der Heiligen Schrift ein. Es müssen selbstbewusste Frauen gewesen
sein.
Ein Brief Elisabeths zeigt
Selbstbewusstsein, Bibelkenntnis, aber
auch große seelsorgerliches Vermögen.
Entstanden ist dieser Brief in
den allerersten Jahren der Reformation, wohl Ende 1518, lange vor den großen
Schriften wie etwa der Freiheitsschrift.
Sie tröstet den Empfänger und
schreibt:
"Ich habe Gott ermahnt durch sanftmütiges Bitten vor seinen
göttlichen Augen; siehe, ich wünsche dir und gebe dir durch seine Kraft Gnade
und Friede und solches durch den Herrn Christum..."
Mich erinnert dieses Zitat an
Mose, der für sein Volk mit Gott um Gottes Gnade ringt - und ich staune über
das "ich", das Kraft, Gnade und
Friede gibt. Durch Jesus Christum.
Welches Selbstverständnis und
welches Selbstbewusstsein zeigt sich hier!
Elisabeth verlässt schließlich
Kloster und Heimat und kommt nach Wittenberg. Dort heiratet sie 1524 einen
Schüler Luthers, Caspar Cruciger.
Luther selbst zelebriert die
Eheschließung in sehr knapper, kurzer Weise. Eine evangelische Ehe ist etwas
Neues, eine Form muss erst erprobt und gefunden werden.
Elisabeth schreibt und singt
weiter.
Viele, viele Gedichte und
Lieder verfasst und veröffentlicht sie; gewürdigt und unterstützt von Martin
Luther.. Schwierigste theologische Gedanken, wie etwa die Frage der göttlichen
Natur Christi, setzt sie in Lieder um und trifft mit ihrer Sprache das Gefühl
der Menschen ihrer Zeit. Lesen Sie nach:
Im Evangelischen Gesangbuch Nr. 67: Herr Christ, der einige Gott`s Sohn....
(M)ein Blick geht weiter, über
den Rhein zu Katharina Schütz-Zell,
1497 geboren als Handwerkerstochter
in der liberalen Freien Reichsstadt Straßburg. Auch sie erhält eine für die
damalige Zeit sehr gute Schulbildung, zeigt früh eine großes Interesse an
theologischen Fragen und entwickelt sich zu einer kritischen jungen Frau. Wie
Luther quält sie sich mit der Frage nach dem gnädigen Gott und dem Gefühl der
eigenen Sündhaftigkeit. Wie Luther wird auch sie zeitlebens von als teuflischer
Anfechtung verstandenen Depressionen heimgesucht.
Als nun auch in Straßburg die
reformatorische Lehre diskutiert und umgesetzt wird, ist sie dabei. 1523
heiratet sie den Priester Matthias Zell. verteidigt in einer 36seitigen Schrift
an den Bischof nicht nur die Reformation und die Priesterehe, sondern auch ihr
eigenes theologisches Reden als Frau und begründet dies äußerst spitzfindig und
bibelkundig. Auch wenn Paulus die Weiber
schweigen heiße, so stehe doch in Gal 3, dass in Christus weder Mann noch Frau
sei. Und nicht zuletzt vergleicht sie sich mit der "lieben Maria Magdalena, die ohne Vorbedacht ihrer Gedanken, zu
einer Apostelin ward - also jetzt auch ich." Christus selber hat sie,
Katharina, zur Verkündigung berufen. Dessen ist sie gewiss und lebt es in der
Liebe und der Freiheit; einer Freiheit, die sie im Glauben auch Andersdenkenden
gewährt, einer Freiheit, mit der sie sich immer wieder für Verfolgte einsetzt.
Denn bald kommt es zu dogmatischen
Streitigkeiten innerhalb des evang. Glaubens, zu Verfestigung, Rechthaberei und
Härte.
Sie dagegen versucht etwa im
Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli zu vermitteln und ermahnt Luther
die Liebe über die theologischen Differenzen zu stellen.
Sie vertritt, nicht nur in
Worten, das, was wir heute "Versöhnte
Verschiedenheit" nennen.
Dies gilt auch gegenüber den
Täufern, von denen viele in Straßburg gefangen sind. Sie besucht diese im
Gefängnis.
Als zwei Frauen aus der
Täufergemeinde eine ordentliche Beerdigung verwehrt wird, lässt sie sich, selbst schon schwerkrank, auf
den Friedhof fahren und tut dort, was ihr Glaube und Liebe gebieten. Eine
Bestrafung durch den Rat der Stadt verhindert ihr Tod.
Ich frage mich: Wieviel Gewalt
unter Christen hätte vermieden werden können, wenn Katharinas Konzept der
versöhnten Verschiedenheit sich gegen
Rechthaberei und Verhärtung hätte durchsetzen können?
Gibt es in Straßburg eine
Gedenkstätte für Katharina? Mir ist nichts bekannt.
Allerdings - in Straßburg hat
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seinen Sitz Das, so meine ich, passt zu dem, was
Katharina wichtig war.
Im Glauben und im Leben.
Ingrid Schiller-Grenz, September 2017, im 500. Jahr des Thesenanschlages in Wittenberg.
Ecclesia semper reformanda!
1 Kommentar:
was für eine superschöne Projekttasche . Ich sollte auch mal wieder liebe Grüsse Marlies
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