Dienstag, 13. November 2018

Wilhelm H.

Auch in meinem Fenster brannte am Sonntagabend, am Abend des 11.11.2018 eine Kerze,
zum Gedenken an das Ende des Erste Weltkrieges vor 100 Jahren.

Erst seit dem Sommer 2015 ist mir klar, wie sehr dieser Krieg auch mit meiner Geschichte zu tun hat.

Diese Kerze steht für Wilhelm H. und für viele...
Wilhelm H. war einer der vielen sehr jungen Soldaten, die in diesem Krieg gestorben sind.
Er starb, so steht es in seiner/meiner Familienchronik,
"im Alter von 17 Jahren  durch Herzschuss in Russland".
Sein Name steht  auf einer Tafel im Turmbogen meiner Heimatkirche, neben zu vielen anderen Namen. Einer von 63.

Wilhelm H. starb im Alter von 17 Jahren durch Herzschuss in Russland.
Er war Kind sogenannter einfacher Leute.
Sein Vater war Schäfer, Wanderschäfer und der Sohn hat, nach allem was ich weiß, diesen Beruf auch erlernt, so wie später sein jüngerer Bruder Karl, der als Wanderschäfer nach Frankreich zog.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Wilhelms Mutter Christine Magdalene hatte viele Kinder. Eines war im Alter von 2 Jahren gestorben. Auch das hat sie eingetragen, hinten in die Familienbibel, Geburten, Eheschließungen, Todesfälle.
Und nun - der Älteste, der Sohn, der nach altem Brauch den Namen des Vaters trug.

Für ihn musste sie schreiben: "gestorben durch Herzschuss in Russland".
Was das für sie bedeutet hat, kann ich nur erahnen. Mehr maße ich mir nicht an.
Für Wilhelm hoffe ich, dass es schnell ging, dieser Tod durch Herzschuss.
Was mögen seine letzten Gedanken gewesen sein? An wen hat er gedacht?
Hatte er zuhause eine Freundin?
Wo wurde er begraben, wenn überhaupt? Und wo?
Aber: Hat auch er abgedrückt, getroffen,  Menschen erschossen? Und wenn ja, wieviele?
Ist er begeistert in den Krieg gezogen mit Blumen im Gewehr? Oder doch mit Furcht und Sorge?

Fragen über Fragen. Es is t niemand (mehr) da, den ich fragen könnte.
In anderen Familien gibt es mehr an Erinnerungen, Tagebücher, Briefe.
Ich verlinke hier zur Predigt eines Kollegen der badischen Landeskirche, die mich sehr berührt.

Fragen über Fragen. Ich weiß fast nichts über Wilhelm H.

In einem aber bin ich überzeugt: Was da geschah und verherrlicht wurde,
17jährige Knaben in den Krieg zu schicken, sie das Töten zu lehren; ihren Tod in Kauf zu nehmen, ist gegen alles, was recht und gerecht ist vor Gott und vor den Menschen. Das ist ein Verbrechen.
Wählen durften übrigens im Deutschen Kaiserreich nur Männer nach Vollendung des 25. Lebensjahres.
Im Krieg töten und sterben dagegen schon mit 17.
Um die Getöteten weinen durften auch die Frauen. Wählen durften sie nicht. Weil sie Frauen waren.

Den Tod, das Blut dieser Knaben kann kein weißer Handschuh verdecken.
Für wen oder was sind sie gestorben? Nein, die Bösen sind nicht immer nur die Anderen.

Söhne regierender Häuser und reichsunmittelbarer Familien waren übrigens, so habe ich heute erlesen, von der Wehrpflicht ausgenommen.
17jährige Schäferbuben nicht.

Wilhelm H. war mein Großonkel.
Ich kannte ihn nicht.
 
 Eine Kerze für ihn und die Millionen von Toten,
auch zur Mahnung, Wege und Werte des Friedens zu suchen und einzuüben und einzustehen gegen Gewalt und Hass. Heute und Morgen und Übermorgen.


1 Kommentar:

Branwen hat gesagt…

Danke für deine Gedanken. Mein Großvater hat auch an diesem Krieg teilgenommen. Wir haben in einer Wohnung gewohnt. Er war ein stiller Mann. Kriegsverletzt. Wie war es um seine Seele bestellt nach zwei Kriegen? Ich weiß es nicht. Was haben sie erdulden müssen und mussten es mit sich selber ausmachen.

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