Sonntag nach Michaelis, in unseren Kirchen feiern wir Erntedankfest.
Wenn irgendmöglich gehen wir an diesem Sonntag über die Wiesen!
Endlich einmal lacht die Sonne vom blauen Himmel,
viele Bäume haben schon ihr buntes Kleid angelegt: Goldener Oktober!
Und doch ist es ein Tag, der mich nachdenklich macht:
die Erntegaben auf dem Altar - bescheiden wie ich es in unserem Dorf noch nie erlebt habe;
auf vielen Wiesen liegt die komplette Ernte an Äpfeln und Birnen nicht im Korb, sondern faulend auf dem Boden -
Nahrungsmittel sind uns zur Last geworden in unserem reichen Land.
Finden wir keine kreativen Lösungen?
Trotzdem - ich freue mich am Erntedank.
Und an diesem Birnbaum!
Er dominiert seine Wiese, überragt alle anderen Bäume, braucht Platz, lange schon.
Mit Leitern und Körben kommt man seinen Früchten nicht bei.
Sie müssen fallen, so wie jede recht Mostbirne fällt, reif und schwer.
Seine Birnen hätten den Kindern in Ribbeck im Havelland nicht geschmeckt,
sauer und manchmal noch hart.
Als Saft und Most jedoch sind sie unvergleichlich köstlich, lassen sich sogar zu Schaumwein und Sekt veredeln!
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland -
ganz unvergleichlich hat Theodor Fontane für mich in dieses Gedicht gefasst, was Ernte auch heißt: Teilen.
Trotz aller gesellschaftlichen Kritik, die man an diesem Gedicht üben könnte -
für mich scheint Großzügigkeit im Bestehenden durch, Phantasie, Einfallsreichtum, Knitzheit gegenüber demjenigen, der nur horten und nicht teilen will.
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland -
es gehört ins Lesebuch, gelernt und aufgesagt!
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb dir ne Birn!"
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam,
Er fühlte sein Ende, 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen "Jesus meine uversicht",
und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is do nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"
So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der Neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der Alte, vorahnend schon
Und voll Misstrauen gegen den eigenen Sohn,
Der wusste genau, was damals er tat,
als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprössling sprosst heraus.
Und die Jahren gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' über Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: "Wiste ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ich gew' di ne Birn."
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
(Theodor Fontane, 1889
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4 Kommentare:
an diesen Herren habe ich auch schon häufig gedacht in den letzten Tagen.Der Birnbaum sieht wunderbar aus.Leider gibt es solche Bäume nur noch selten.
L.G.
helga
Der gute Herr von Ribbeck, ich weiß noch gut, wie mein Bruder ihn auswendig lernen musste und er einfach nicht in seinen Kopf hinein wollte!
Ich hoffe du hattes einen schönen Erntedanksonntag und wünsche eine schöne Woche Ingrid
Gabriele
ich erinnere mich gut an Herrn Ribbeck und seine Birnen. Das musste ich in Schulzeiten mal auswendig lernen. Ist schon lange her ...
lieben Gruß von Friederike
Hi Ingrid, Das ist ein wunderschoener post fuer den Herbst mit Aepfeln und dem grossen, farbigen Birnbaum. Ich habe das Gedicht immer geliebt es fliesst so schoen von der Zunge. Da ich Sprachen sehr liebe habe ich dieses Platt Deutsch immer sehr geschaetzt.
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