Erntedank -
für mich schön immer eines der schönsten Kirchenfeste im Jahr!
Ich will es verbinden mit einer kleinen Geschichte,
wieder ein Erinnern an eine dieser stillen Frauen, die es wert sind nicht vergessen zu werden.
Eine Frau aus meinem Dorf,
Kriegerwitwe, zog sie allein in einfachen Verhältnissen ihre Kinder groß.
Eine gute Nachbarin, Bekannte meiner Großeltern.
Damals, als es noch keine Terassen und Sitzecken hinter Thujamauern gab, stand die Hausbank noch vor dem Haus an der Straße.
Dort traf sich die Nachbarschaft, mal da, mal dort.
Später, als die Straße ausgebaut wurde, verschwanden die Kandel, in denen wir Kinder nach einem warmen Sommerregen rumhüpften,
die Hausbänke wichen dem Gehweg, schwäbisch Trottoir genannt, und wurden ein wenig zurückversetzt, um die Ecke vielleicht.
Aber noch immer luden sie ein, ganz informell, vorbeikommen, hinsetzen, ein Schwätzle halten.
S. war zugleich die Mesnerin unserer Kirchengemeinde (für die Norddeutschen: Küsterin)
Jahraus, jahrein sorgte sie für Kirche und Gemeindehaus. Sauberkeit, Wärme, Blumen und Kerzen, die Bibel Aufschlagen,
das Abendmahl vorbereiten, die Glocken Läuten - und manches andere mehr.
Für uns Jungscharkinder und später Mitarbeiter war sie eine Respektsperson, obwohl sie nie die Stimme hob und immer freundlich war.
Aber wir haben das Gemeindehaus immer ordentlich hinterlassen, weil sie das von uns erwartete.
Samstag abends um kurz nach halb sieben - wir konnten die Uhr nach ihr stellen - kam sie die Straße herab,
langsam, ohne Eile, aber Zeit für ein Schwätzle hatte sie da nicht.
Denn sie ging zur Kirche, zum Einläuten des Sonntags.
Die Arbeit im Dorf war getan, auch ihre Arbeit. Allerletzte Vorbereitungen für den Sonntag, den Blumenstrauß auf den Altar,
und Punkt Sieben läuteten die Glocken den Sonntag ein.
Danach schweigen die Glocken in gutem evangelischem Brauch bis zum Vorläuten am Sonntagmorgen, eine Stunde vor Gottesdienst.
So gingen die Jahre ins Land. Auch sie wurde älter und klappriger. Auf die große Leiter zum Christbaumschmücken am Tag vor
Heiligabend hat sie sich nicht mehr gewagt. So kam sie eines Tages zu mir, irgendwann in den Jahren vorm Abi: Ob ich ihr nicht
helfen würde? Mir war es eine Ehre.
Und so stand ich in schwindelnder Höhe, sie hielt unten die klapprige Leiter, ich balancierte und streckte mich, immer ein Auge zum Altar und zum stabilen Kreuz, an dem ich mich hoffte halten zu können, sollte es denn einmal in die Tiefe gehen....
Aber Alles ging Immer Gut!
So gingen die Jahre ins Land, ich studierte, war weg und rechtzeitig vor Heiligabend da.
Ich machte Examen, ging ins Vikariat, wollte heiraten - und sie ging in den Ruhestand.
Ich wollte immer am Samstag vor dem Erntedankfest heiraten und das haben mein Mann und ich auch hingebracht.
Aber ach, die gute alte Mesnerin im Ruhestand. Ihre Nachfolgerin, eine ebenfalls tüchtige, sympathische Frau,
aber ich - sollte ich etwa heiraten, ohne dass mir S. die Blumen am Altar abnahm und ins Wasser stellte? Aber die Neue verletzen wollte ich natürlich auch nicht.
Sie löste das für mich, ließ mir ausrichten, sie habe das geregelt, an dieser Hochzeit hätte selbstverständlich sie nocheinmal Dienst, auch wenn sie schon 4 Wochen im Ruhestand sei.
Und so heirateten wir, so wie wir wollten, am Samstag vor Erntedank, an einem strahlendschönen, warmen Herbsttag.
Im Zug ging es, wie damals auf dem Dorf noch üblich, vom Rathaus zur Kirche.
Am Glockenturm wartete der Freund, der uns traute, nahm uns in Empfang und reihte sich vor uns in den langen Zug.
Drinnen die Orgel, gespielt vom Rektor unserer Schule, einem Dorfschulmeister im besten Sinn,
und am Altar wartete sie, im Sonntagskleid und mildem Lächeln, nahm mir die Blumen ab und sorgte - wie bei jeder Braut - auch dafür, dass ich sie auch wieder mitnahm.
Uns war ihr Dienst eine Ehre.
Dankbar denke ich an sie zurück!
Die Jahre gingen ins Land, ein Vierteljahrhundert ist es bald...
mancher der fröhlich mit uns gefeiert hat, lobt Gott heute an anderer Stelle, so hoffen wir.
Manches bleibt, über Jahrhunderte,
darum schließe ich mit diesem Dankchoral:
Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen.
Der große Dinge tut, an uns und allen Enden,
Der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an
unzählig viel zu gut bis hierher hat getan.
Der ewigreiche Gott woll uns bei unserm Leben
Ein immer fröhlich Herz und edlen Frieden geben
Und uns in seiner Gnad erhalten fort und fort
Und uns aus aller Not erlösen hier und dort.
Lob, Ehr und Preis sei Gott, dem Vater und dem Sohne
Und auch dem Heilgen Geist im höchsten Himmelsthrone,
Ihm, dem dreieingen Gott, wie es ursprünglich war
und ist bleiben wird jetztund und immerdar.
Sonntag, 4. Oktober 2009
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4 Kommentare:
Hallo Ingrid,
eine wunderschöne Geschichte, ich kann sie dir sooo gut nachfühlen !
Liebe Grüße von Maren
Liebe Ingrid,
das hast du sehr einfühlend geschrieben! Selber kann man sich dann auch gleich ein paar Leute vorstellen, die man kennt. Es gibt welche, die vergisst man nie! Und ich fand es früher auch schön im Dorf, als alles noch etwas persönlicher war.
Lieben Gruss zum Sonntag, Brigitte
Liebe Ingrid,
... schön hast du das geschrieben.
Ich kannte auch so eine Dame- unsere Katechetin. Sie hatte immer eine liebevolle und gütige Ausstrahlung und konnte uns als Kinder begeistern. Erst heute musst ich daran denken, wie sie mit uns das Erntedankfest vorbereitet hat.
Bis zu ihrem Lebensende sind wir verbunden gewesen.
Kleine Basteleien und eine Postkarte sind wie kleine Schätze für mich.
Hab eine schöne neue Woche und sei gut behütet.
LG Heike
Hallo Ingrid,
so wunderschön, das es mir beim Lesen ein Tränchen in die Augen trieb.
LG Doreen
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