Am Sonntag vor Schuljahresbeginn im September findet traditonellerweise das Kornbergtreffen des Evangelischen Jugendwerkes in unserem Kirchenbezirk statt. Auf dem Kornberg am Nordrand der Schwäbischen Alb. Mann und Sohn und Freunde sorgen für die äußeren Dinge, mähen den Rasen, stellen Tische und Bänke auf und sorgen für eine kleine Verpflegung nach dem Gottesdienst. Eine große Kornberg-Kiste lagert bei uns und enthält alles, was gebraucht wird, von der Schöpfkelle bis zur Altarbibel, Kerze und Streichhölzern.
Den Gottesdienst gestalten Posaunenbläsern aus vielen Gemeinden des Kirchenbezirkes, Mitglieder des Jugendwerkes und ein Pfarrer oder eine Pfarrerin.
Der Kornberg darf nur mit extra erstellter Fahrgenehmigung angefahren werden. Mindestens zweimal habe ich "wichtige vergessene Dinge" nachgefahren, die Schöpfkelle zum Beispiel. Allerdings nur bis zum Parkplatz auf dem Sattel, denn weiter durfte ich ja nicht fahren - und hätte es auch nicht gewollt, denn der Weg zum Gipfel führt über schmale und steile Feld-und Waldwege.
Dieses Jahr nun habe ich selbst den Transfer/Fahrdienst für die Alten, Schwachen und Kranken angefordert, da ich den kurzen, aber steilen Aufstieg vom Parkplatz am Sattel nicht geschafft hätte, den ganzen Augenoperationen geschuldet. Aber ich wollte doch gerne dabei sein, zumal die junge Kollegin, mit der ich zwei Jahre zusammengearbeitet hatte, gepredigt hat.
Der Gatte und Chef de Mission persönlich holte mich ab; den Rückweg bis zum Parkplatz bin ich dann mit einem Bekannten zu Fuß gegangen, im Schneckentempo und nicht an der Kante und dann mit ihm ins Tal bis vor meine Haustür.
SCHNECKENTEMPO - mein Thema, mein Befinden, meine Herausforderung in diesem Jahr. Müde, schwach, erschöpft von der ganzen Augenmisere, den Medikamente, der Situation. Auch die Heilung des im August letztmals operierten Auge geht nur im Schneckentempo voran. Geduld.
Da wurde mir diese Schnecke zum Lehrstück, zum Gleichnis. Und ist es noch.
Montag nach dem Kornbergtreffen - der erste Schultag. Aber diesesmal ohne mich. Denn nun begann mein angespartes Sabbatjahr.
Das Kornbergtreffen hatte noch bei Sonnenschein und Wärme stattgefunden; der Kornbergdienst konnte noch ordentlich aufräumen, aufladen und abfahren. Dann schlug das Wetter um. Regen setzte ein. Es wurde kühl und nass.
Am Montagmorgen machte ich mich auf den Weg, nicht in die Schule, sondern in den Wald - im Schneckentempo.
Dort habe ich die Schnecke gesehen, mitten auf dem Weg, kaum zu sehen im nassen Kies, wie sie so ganz langsam dahin geschlichen ist, in ihrem ganz eigenen rhythmischen Schneckentempo, im Wechsel von Anspannen und Lösen.
Lange habe sie beobachtet, fotografiert, aus der Ferne und der Nähe.
Schließlich habe ich sie hochgehoben, sorgsam über den Weg getragen, ins Gras gesetzt, damit sie niemandem unter den Fuß oder unters Rad kommt.
Ich habe ihre Schönheit bewundert. Ihre Geduld und Ausdauer; auch das gehört wohl zum Schneckentempo.
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